Pflanzenkohle – Wie ländliche Regionen CO2 speichern können

Pflanzenkohle (engl. Biochar) wurde vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)[1] als eine der wichtigen Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels bezeichnet, und zwar aufgrund ihres Potenzials, langfristig Kohlenstoff zu binden, und wegen der vielfältigen Nebeneffekte. Was ist Pflanzenkohle? Bei der Herstellung von Pflanzenkohle wird der (instabile) Kohlenstoff aus bestimmten Biomassen in stabilen Kohlenstoff umgewandelt, der ...

Stéphanie Bombail, Gecica Yogo, Roman De Rafael

25 Okt 2023 7 Minuten Lesezeit

Pflanzenkohle (engl. Biochar) wurde vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)[1] als eine der wichtigen Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels bezeichnet, und zwar aufgrund ihres Potenzials, langfristig Kohlenstoff zu binden, und wegen der vielfältigen Nebeneffekte.

Was ist Pflanzenkohle?

Bei der Herstellung von Pflanzenkohle wird der (instabile) Kohlenstoff aus bestimmten Biomassen in stabilen Kohlenstoff umgewandelt, der dann im Boden gebunden werden kann. Neben dieser langfristigen Kohlenstoffbindung wirkt sich Pflanzenkohle auch positiv auf die Leistungsfähigkeit des Bodens aus, da sie die Rückhaltung und Durchmischung von Wasser und Nährstoffen verbessert. Eine bekannte Form von Pflanzenkohle ist die Holzkohle.

Pflanzenkohle ist ein sehr widerstandsfähiges Bodenhilfsmittel, das durch Verbrennung oder Vergasung von Biomasse hergestellt wird. Hierbei werden Abfälle (Gülle, land- oder forstwirtschaftliche Rückstände) in Hochtemperaturöfen in einer sauerstoffarmen Umgebung verarbeitet, wodurch sie in ein festes, poröses, kohlenstoffreiches und stabiles Material umgewandelt werden. Diese Stabilität kann von einigen Jahrzehnten bis zu mehreren Jahrhunderten reichen[2],[3].

Wird Pflanzenkohle dem Boden zugeführt, kann sie also langfristig Kohlenstoff speichern und aufgrund ihrer porösen Struktur Nährstoffe und Wasser binden[4]. Sie trägt so zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit bei und verringert den Wasserabfluss.

Pflanzenkohle wurde in der „terra preta“ (portugiesisch für „schwarze Erde“) gefunden, in Parzellen mit sehr fruchtbarem Land im Amazonasgebiet. Die Erforschung der Terra-Preta-Böden hat ergeben, dass die Indigenen des Amazonasgebietes bereits vor mehr als 2.000 Jahren stabilen Kohlenstoff im Boden vergruben. Mit einer Mischung aus zerbrochenen Töpferwaren und anderen organischen Materialien hat sich das hohe Fruchtbarkeitspotenzial dieser Flächen bis heute erhalten[5]. Wenn wir diese Technik reproduzieren würden, könnte man die degradierten Böden und die klimatischen Bedingungen von bestimmten ländlichen Gemeinden in Entwicklungsländern verbessern.

Der Verified Carbon Standard (VCS)[6], eine internationale Zertifizierungsstelle für die Kohlenstofffinanzierung, hat vor kurzem eine Zertifizierungsmethode veröffentlicht, die einen Rahmen für die Quantifizierung von Kohlenstoff und Qualitätskriterien für Pflanzenkohleprojekten bietet. Mit der Entwicklung dieser Methodik hat EcoAct ein größeres Pilotprojekt aufgesetzt, das sich an den vom VCS festgelegten Bedingungen orientiert. Dieses Projekt zielt darauf ab, ländliche Gemeinden in Ostafrika bei der Einführung dieser Technologie zu unterstützen

Pflanzenkohle

Abbildung 1: Schema der Pflanzenkohleherstellung. Pflanzenkohle wird im Allgemeinen durch Pyrolyse hergestellt, ein Verfahren, bei dem erneuerbare Biomasse bei hoher Temperatur in einer sauerstoffarmen Umgebung erhitzt wird. Ohne Pyrolyse würde die Biomasse entweder im Freien verbrannt werden oder verrotten, was zu wesentlich höheren Treibhausgasemissionen führen würde. Darüber hinaus ist Kohle eine stabile Form von Kohlenstoff, die im Boden gespeichert werden kann und dessen Fruchtbarkeit verbessert.

Innovationsdynamik für die Entwicklung von Pflanzenkohle

Am 12. August 2022 validierte der VCS eine Methode zur Anerkennung der CO2-bindenden Eigenschaften (Sequestrierung) von Pflanzenkohle. Wie EcoAct auch hatten viele Organisationen bereits erst Versuchsprojekte durchgeführt und warteten nur darauf, diese Methodik im größeren Maßstab anwenden zu dürfen. Die erste Version des Zertifizierungsverfahrens wurde nach verschiedenen Konsultationen und öffentlichen Stellungnahmen optimiert.

Die Validierung stützt sich auf zahlreiche wissenschaftliche Studien sowie auf Berichte des IPCC, die das große Potenzial von Pflanzenkohle für die Kohlenstoffbindung bestätigen. Laut IPCC ist Pflanzenkohle eine sehr wirksame Lösung für die Klimakrise.

EcoAct engagiert sich in dieser Phase der Erprobung der neuen Methode und untersucht die Anpassungen und Innovationen, die erforderlich sind, um diese Methode speziell für ländliche Gemeinschaften in Entwicklungsländern anwendbar zu machen.

Ländliche Gemeinden als Hauptlieferanten von Rohstoffen für die Kohleherstellung

Biochar
Bild 1: Beschaffung von Rohstoffen. Von Akili-Teammitglieder gesammelter Reisspreu.  ©Akili Holdings Ltd

Bei der Biomasse, die für die Herstellung von Pflanzenkohle in ländlichen Gebieten in Frage kommt, handelt es sich hauptsächlich um land- und forstwirtschaftliche Abfälle, die bislang in der Regel unter freiem Himmel abgebrannt oder ungenutzt gelassen werden, da es keine andere Möglichkeit gibt, sie zu verwerten. Der Rohstoff für die Kohle wäre sonst also entweder verbrannt oder langsam zersetzt, was u.a. Methan freisetzt. Die Umwandlung von Biomasse durch Pyrolyse verursacht unter idealen Bedingungen nur geringe Treibhausgasemissionen.

Da in ländlichen Gemeinden ein Großteil der lokalen Wirtschaft aus Landwirtschaft besteht, fallen oft große Mengen an land- und forstwirtschaftlichen Abfällen an, z. B. Reisstreu, Obstschalen oder Fruchtfleisch. Die Gemeinden oder Landwirten sind es gewohnt, mit Abfallströmen umzugehen und dabei die Mengen möglichst gering zu halten. Die Herausforderung besteht daher darin, große Mengen dieser Abfälle zu verwerten, und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen zu begrenzen und den erneuerbaren Anteil daran zu erhöhen.

EcoAct hat sich mit Akili Holdings Ltd in Kenia für ein neues Pflanzenkohle-Projekt zusammengeschlossen. Wir haben dafür Rohstoffe ausgewählt, die den Kriterien der VCS-Methode entsprechen und als landwirtschaftliche Material den kenianischen Landwirten bereits zur Verfügung stehen. (Bild 1 und 2)

 

 

Auf der Suche nach der richtigen Pyrolyse-Technologie für ländliche Gemeinden

Pflanzenkohle – Wie ländliche Regionen CO2 speichern können
Bild 2: Beschaffung des Rohmaterials. Frische Wandelröschen (Lantana Camara) werden zu Kontrollzwecken vor Ort gesammelt und gewogen. ©Akili Holdings Ltd

Die VCS-Methode kennt zwei Arten der Pyrolyse, „Hochtechnologie“ und „Niedrigtechnologie“. Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass bei der „Hochtechnologie“ eine bessere Kontrolle über die Wärme, die Erfassung der emittierten Gase und die Messung der Temperatur besteht. Dies ermöglicht eine bessere Verwertung der Pyrolyse-Nebenprodukte und geringere Emissionen, was allerdings technologisch anspruchsvoller ist. Mit der „Niedrigtechnologie“ werden zu viel geringeren Kosten vergleichbar stabile Ergebnisse zur Kohleproduktion erzielt, allerdings ohne kontinuierliche Messungen und Wärmerückgewinnung. Daher besteht die erste Herausforderung für die Niedrigtechnologie darin, die bei der Pyrolyse entstehenden Treibhausgase zu begrenzen.

Es muss auch genau darauf geachtet werden, welche Technologie eine natürliche Konvektion ermöglicht, um eine Verbrennungszone oberhalb der Pyrolysegrenze zu schaffen. Dies begrenzt die Methan- und Rußemissionen, was sonst den Umweltnutzen der Kohle verringern würde.

Die zweite Herausforderung besteht darin, diese „Niedrigtechnologie“ in Bezug auf Kosten und Wirtschaftlichkeit für die ländlichen Gemeinden zugänglich zu machen, die mit verarmten Böden zu kämpfen haben.

Biochar
Bild 3: Erdofen. Diese Art von Ofen wird aus lokal verfügbarem Material hergestellt, damit er einfach gebaut werden kann. ©Akili Holdings Ltd

Um dies zu erreichen, arbeiten die EcoAct-Experten mit unserem Partner Akili an der lokalen Entwicklung von Niedrigtechnologie-Öfen, um die beste Technologie für das betreffende Gebiet zu finden und ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen.

EcoAct arbeitet derzeit zusammen mit Akili an einem Experiment, das die doppelte Herausforderung lösen soll, Pflanzenkohle in großem Maßstab sowohl für die Kohlenstoffbindung als auch zum Nutzen der ländlichen Gemeinden herzustellen. Um die Qualität der produzierten Kohle zu gewährleisten, wurde eine Partnerschaft mit der örtlichen Kenyatta-Universität eingegangen, die eine Reihe von Laboranalysen durchführen wird. Im Rahmen des Experiments werden auch verschiedene Tests mit ländlichen Gemeinden für den Einsatz der produzierten Kohle durchgeführt. Sie sollen das beste Verhältnis von Pflanzenkohle und Kompost ermitteln, das auf Böden für kurzfristige (z. B. Kohl, Tomaten) und langfristige (z. B. Kaffee) Kulturen angewendet werden kann.

Wir freuen uns, teil dieser spannenden Entwicklung zu sein, die gleichzeitig einen großen Umweltnutzen hat und die lokale Entwicklung fördert.

 

 

 

 

Fußnoten:

[1] https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/downloads/report/IPCC_AR6_WGIII_SPM.pdf (AR 6, WGIII, SPM, Fußnote 70)

[2] Christophe Naisse. Potentiel de séquestration de carbone des biochars et hydrochars, et impact après plusieurs siècles sur le fonctionnement du sol. Sciences de la Terre. Université Pierre et Marie Curie – Paris VI, 2014. ⟨NNT : 2014PA066518⟩⟨tel-01130038⟩

[3] Fang, Y., B. Singh, B.P. Singh, and E. Krull, 2014: Biochar carbon stability in four contrasting soils. European Journal of Soil Science, 65(1), 60–71, doi:10.1111/ejss.12094

[4] Brown, R. (2009) Biochar production technology. In: Biochar for environmental management: Science and technology. (Lehmann, J. and Joseph, S.). Earthscan, London, pp 127-146. https://doi.org/10.4324/9780203762264

[5] Bruno Glaser, Jago Jonathan Birk, State of the scientific knowledge on properties and genesis of Anthropogenic Dark Earths in Central Amazonia (terra preta de Índio), Geochimica et Cosmochimica Acta, Volume 82, 2012, Pages 39-51, ISSN 0016-7037, https://doi.org/10.1016/j.gca.2010.11.029. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S001670371100144X)

[6] https://verra.org/methodology/methodology-for-biochar-utilization-in-soil-and-non-soil-applications/

Ähnliche Erkenntnisse

Alle ansehen